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SMS STORY

Auszug aus "Handyromance - moderne Nostalgie"

Jeanne Wagner-Happ

auf seinem Sekretär stand ihr Spruch zu lesen:   „wenn du möchtest, könnte ich ein Highlight in deinem Leben sein!"

 

Veröffentlicht 2001

Alle Rechte vorbehalten:

Copyright  Jeanne Wagner-Happ

ISBN 3-93511-46-0

 

Wie schön, dass es Handys gibt 

Wenn man mich fragen würde, was die beste Erfindung unsere Jahrhunderts ist, dann würde ich ohne lange zu überlegen antworten: „das Mobiltelefon", das man in Deutschland nur unter dem Begriff „Handy" kennt. Warum? – Na darum:

Handys sind „in", mehr denn je – jeder hat eins, wer keins hat, der braucht eins und wer ein altes hat, braucht ein neues.

Gründe gibt es genug, man/frau braucht es für was auch immer, für sämtliche Gelegenheiten, denn Möglichkeiten zum Telefonieren gibt es viele. Obendrein gibt es so wahnsinnig schicke neue Modelle – und sie alle sagen „kauf mich ... nimm mich einfach mit". Jedes halbe Jahr könnte man/frau sich ein neues zulegen. Wer ein Handy hat, ein Mobiltelefon, der hat es dabei, schaltet es ein – hoffentlich – und ist präsent, so einfach ist das. Und all die Möglichkeiten, die man damit hat. Man ist erreichbar, in Action, für Powerfrauen und für Powermänner ist es einfach nicht wegzu­definieren. Ebenso die wunderschönen SMS, die man rund um die Uhr damit erhalten kann, die einem das Leben verschönern – wenn man ähnliches liest, wie

„hallo, Schatz, ich vermisse dich“

„Hi, ich wäre jetzt so gern bei dir…“

„Liebling – das Leben ist schön mit dir, ild“

„danke schatz, ich liebe dich“.

Deutschland ist das Mobil-Telefonland Nummer eins – das Land mit den meisten Handys pro Kopf. Und so wurde es Zeit, die millionste Handy-Story zu schreiben.

 

SMS der Moderne Liebesgruss

Liebe ist Liebe und nicht erklärbar

(Jeanne Wagner-Happ)

Sie waren auf dem Weg, das Traumpaar des Jahres zu werden, schöner als in jeder Phantasie. Zu Beginn erhält sie eine erste SMS von ihm. Sie antwortet passiv, denn sie hat noch nie eine geschrieben, auch keine erhalten; alles ist neu, und doch es gelingt es, macht sogar Spaß. Kurze Zeit später schon bombardiert er sie mit seinen ausgesprochen schönen Worten, per Handy ... geschrieben, gesprochen und alles per Telekom.

Lange dauert es nicht, und sie haben eine Beziehung, fallen hinein in das Märchen, das sich Liebe nennt. Sie haben keine Zeit für andere Kontakte, denn sie sind sich selber genug. Täglich telefonieren sie zwei- bis dreimal und mehr, SMS werden noch häufiger geschickt.

In ständigen Mails, in ständigen Telefonaten, in ständigen SMS bringt er es immer wieder auf den Punkt. Sie ist seine ultimative Traumfrau. Er will sie bis ans Ende seines Lebens, will sie – und sie glücklich machen. Er dreht voll auf, wie Easy Rider. Und sie fährt mit auf der Überholspur – fährt mit ihm die nächsten Monate direkt ins Glück.

Sie liebt ihn, mag seine witzige Art, sein Talent zu reden, zu schreiben, seine Figur, seine Haare auf der Brust ... sie mag einfach alles an ihm. Er liebt ihren Schreibstil, ihre interessanten,  ausgefallenen Erzählungen, ihren aufregenden Gang, ihre Figur, ihre Haare, ihre Art – ihre stolze Art, wie er sagt. Er ist fasziniert, er ist verrückt nach ihr und das zeigt er ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Jede Nacht schreibt er unzählige Zeilen, seitenlange Mails, schickt ihr die liebevollsten Grüße übers Internet. Und morgens, bevor sie aufsteht, hat sie schon den ersten Mini-Liebesbrief per SMS auf ihrem Display – die erste Handy-Botschaft um 06.29 Uhr oder 06.32. Darin ist er super präzise, aber meistens schläft sie zu dieser Stunde noch fest. Auf dem Weg zur Arbeit hört sie seine Informationen ab, eine wundervolle Unterbrechung ihres Weges, bevor die raue Wirklichkeit beginnt, obwohl sie vorher – von 07.15 Uhr bis 07.30 Uhr – schon miteinander telefoniert haben, während sie sich schminkt. Rituale, wie sie jedes Liebespaar kennt. Punkt 22.00 Uhr ruft er wieder an – oft auch zwischendurch. Und er ist pünktlich. Immer turteln sie herum, immer ist von Liebe die Rede, später von Ehe. Das muss Liebe sein, das ist Liebe – was sonst. Beide empfinden so, es spiegelt sich in allen SMS wider, in allen E-Mails. Wenn es eine perfekte Definition von Glück gibt, dann haben sie es gefunden ... das pure Glück! Und dazu gibt es wunderbare, permanente Töne, dauernde SMS, laufende Nachrichten übers Handy.

Wundervolle Technik zaubert Phantasien für Liebende.

Sie vermisst seine SMS, wenn sie nicht rechtzeitig kommen. So sehr hat sie sich schon daran gewöhnt.

Jedoch – zu vermissen gibt es nichts – denn jede freie Minute nutzt er für ein Telefonat. Vor einem Meeting, nach einem Meeting und mittendrin, wenn er von A nach B fährt, beim Einkaufen, auf der Raststätte, auch nachts, wenn er mal wieder nicht schlafen kann, telefoniert er. Für diesen Fall hat sie ihr Handy eingeschaltet, das ist das Zeichen, dass sie noch arbeitet und er willkommener Weise noch anklingeln kann. Auch abends in der Schule, wenn sie unterrichtet, darf er mit ihr telefonieren – während der Pause ertönt der bekannte, extra für ihn gespeicherte Klingelton.

Doch – nach einiger Zeit holt ihn die verloren geglaubte und verschüttete Vergangenheit wieder ein. Sie schlägt voll zu, nachdem die andere sich wieder gemeldet hat. Gestern war sie noch weit weg – gleichwohl, sie war nie ganz verschwunden. Drei Jahre hatte er mit Nathalie zusammen gelebt. Und nun war er ohne Übergang von einer zur andren getaumelt, war bei Nathalie ausgezogen, in seine eigene Wohnung, hatte augenblicklich eine Annonce im Internet aufgegeben, und Lara hatte sich kurze Zeit später – unter ihrem Pseudonym „Joana" – gemeldet, denn ’Joana Marshall’ sollte ihr Künstlername werden. Es gab keine Lücke, keine Leerzeit, keine Erholung dazwischen. Pausenlos, atemlos glitt er von einer zur anderen, wie ein Aal, wenngleich er gar keinen Fisch mochte.

Vergleiche liegen nahe, alles Schöne ist wieder gegenwärtig. Aus dem Blickwinkel der Vergangenheit idealisiert betrachtet, werden kleine Charakterfehler überträumt, entschuldigt und gedanklich positiv verändert. Die andere ist wieder präsent – in seinem Kopf, in seinem Herzen, einfach allseits gegenwärtig. Er kann sie nicht vergessen. Wie auch, sie schreibt von neuem E-Mails, will ihn wieder, denn sie hat sich wehmütig bei ihm gemeldet. Zarte Anknüpfungsversuche waren zwar gescheitert, doch er kann sie nicht aus seinem Herzen reißen, schon ist sie wieder da, die Erinnerung, wie ein Paukenschlag. Dagegen kann sie nicht an – Lara ist machtlos, unwissend, nicht ahnend, dass es die andere noch gibt. Hinter ihrem Rücken läuft ein Spiel ab, dessen Regeln sie nicht kennt, spielen die beiden das „Ich-vermisse-dich-so-sehr-Spiel" und „Das-sehnsuchtsvolle-Leiden".

Dabei hätte es eine Traumstory werden können, so unglaublich waren beide verliebt.

Doch zum Schluss war es nur noch eine Geschichte, eine von vielen Geschichten, aber eine außergewöhnliche – eine cool romantische Erzählung, eine moderne Romanze, eine SMS-Love-Story.

Lehnt euch einfach zurück, macht es euch bequem, blättert die Seiten um und genießt die Story, denn ein modernes „Vom Winde verweht" beginnt ...

Handy-Romantik - moderne Nostalgie

Ein total verliebtes Paar, das sich auf moderne Art – ein Anzeige im Internet – kennen gelernt hat, schwebt auf Wolke 17. Nach wenigen Tagen schon, nur kurze Zeit nach der ersten E-Mail, nach der ersten SMS, dem ersten Telefonat begann eine der phantastischsten Love-Storys unserer Zeit, die per Handy mit SMS, Mobilbox und täglichen Anrufen ihresgleichen sucht!

Er ist Manager, Chef, ein Mann in den besten Jahren, geschieden, frei für einen neuen Anfang. Sie lebt seit Jahren getrennt von ihrem Mann – seit Anfang des Monats hat sie die Scheidung eingereicht. Obwohl das nichts mit ihm zu tun hatte – sie kannten sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht –, betraf es ihn später doch. Es muss mal ein Schlussstrich gezogen werden. Sie will umziehen, sucht einen neuen Job. Die letzte Zeit, das letzte Jahr war ganz besonders hart, nun arbeitet sie daran, dass alles anders wird, nicht nur anders, besser, viel besser soll es werden. Sie will ihr ganzes Leben ändern – und dann ändert sich das Leben für sie, ändert sich alles in ihrem Leben.

Der von Lara neu interpretierte Spruch „denn erstens kommt es anders und zweitens sowieso" passt. Denn es kommt alles ganz anders als erwartet.

Nach dem ersten Blick waren beide verliebt!? Besser gesagt nach der ersten SMS oder nach dem ersten Telefongespräch. Er setzte sofort ein Gedicht ins Internet, wollte alle darüber informieren „seht her, ich bin verliebt – es hat mich erwischt ..." schöner kann es nicht sein. Am liebsten möchte er es herausschreien, alle sollen es hören, wenigstens wer will, kann es ab sofort lesen". Man/frau kann es heute noch finden auf irgend einer Flirtseite im Internet.

und hier ist sein Gedicht:

Wer wollte wirklich heut’ bestreiten,

wir haben ganz moderne Zeiten!

Früher verlor Frau ein Taschentuch,

heut’ schaut sie in ein Taschenbuch –

Partnersuche per Internet –

„Wenn ich nur schon einen gefunden hätt’ ..."

Das Nonplusultra erkennt man leicht –

„xy_flirts", einfach unerreicht!

Frédérik hatte dort suchend inseriert,

Joana hat darauf dann reagiert.

Schreiben hin und schreiben her,

terminlich klappt es weniger

bis dann zum ersten Telefonkontakt,

dann hatte es beide plötzlich gepackt.

Zwei Stunden haben sie telefoniert

und sich dabei völlig ungeniert

abgetastet und stimmlich berochen

und über Gott und die Welt schon gesprochen

als wären sie beide Jahre bekannt,

dabei hat schon ein kleines Flämmchen gebrannt.

Gespeist von sympathischer Attraktion,

ist es nur Zufall oder des Schicksals Lohn?

Egal, es war so natürlich und offen,

es bleibt nur wirklich das Beste zu hoffen.

Wenn Stimmen nicht trügen und Intuition

auch nicht, dann merkten sie schon,

dass doch eine Menge an Dingen wohl stimmt

zwischen ihnen, und der Weg, den das nimmt,

den werden sie beide gemeinsam gehen.

In 14 Tagen da werden sie sehen –

geht’s Richtung Freundschaft oder mehr?

Egal, auf jeden Fall freut es schon sehr,

dass Internet und Handy doch mehr manchmal bieten 

als Spinner, Machos, Dummchen und  Nieten ...

Dieses Gedicht ist kein Ereignis, das sie vom so genannten Hocker reißt. Zumal sie die Art „reim dich oder ich fress‘ dich", überhaupt nicht mag, sie hasst solche Verse. Und einen Hocker hat sie sowieso nicht, von dem es sie reißen könnte.

Zunächst einmal hält sie sich noch abwartend zurück. Nur seine Stimme ist zu wenig, nach nur einem SMS-Gruß, einem Telefonat und einem Gedicht im Internet kann sich eine erfahrene Frau doch nicht verlieben. „Vorsicht!" mahnt ihre innere Stimme, doch dann lässt sie geschehen, was nicht mehr aufzuhalten, nicht mehr zu stoppen, nicht mehr zu ändern ist. Seine außergewöhnlichen SMS-Grüße, Informationen und alle Liebesphantasien schreibt sie einfach ab, und so entsteht daraus eine spannende Liebesgeschichte, eine unglaubliche Story unserer Zeit.

Doch Liebe ist wie ein Märchen – und Märchen sind meistens grausam – und so ist alles ein wenig böse, denn Märchen sind nun mal so.

Seine Poesiebemühungen findet sie rührend. Obwohl das Gedicht absolut nicht seine Glanznummer ist, schickt er danach die schönsten SMS-Grüße, die faszinierendsten E-Mails, die eine Frau je erhalten hat, und plaudert auf ihre Mailbox die ausgefallensten Liebesbezeugungen. Sie haben eine einmalige, eine herrliche Zeit, die intensivste – da sind sich beide einig –, die sie je hatten. Sie sind verliebt wie andere Paare auch – falsch: Sie sind es noch mehr! Es beginnen die kostbarsten Augenblicke ihres Lebens. Sie bekommen nicht genug voneinander, wollen sich so oft wie möglich sehen, doch das ist durch die Entfernung von 182 Kilometern, Frankfurt – Köln, einem Abstand von fünf Tagen, von 120 Stunden, die dazwischen liegen, nicht möglich.

 

Es scheint ihr wie damals zu sein, als sie im Alter von siebzehn nicht erwarten konnte, ihren Freund, der die Woche über bei der Bundeswehr Dienst hatte, wiederzusehen. Obwohl seinerzeit die Woche ebenfalls viel zu lang war für ein verliebtes Paar, war es dieses Mal wesentlich schlimmer. Dieses unerträgliche Warten, diese Sehnsucht, die kaum zu beschreibende; immerhin, dass ihr das noch einmal passieren sollte – versuchen wir es zu beschreiben:

Nachdem er sie unzählige Male angerufen hatte – über Handy, Festnetz und SMS, denn er schickt ihr – wie gesagt – jeden Tag unzählige Nachrichten –, kommt es schon nach einer Woche zum ersten Treffen auf der Autobahnraststätte Limburg – zwischen Frankfurt und Köln.

Beim Aussteigen meint sie „ej, bist du groß, man, hättest du das nicht schon am Telefon sagen können? Dann hätte ich mir höhere Schuhe angezogen. Daraufhin meinte er frech „darf man nicht mal mehr so groß sein, wie man will?" Schließlich hat sie nicht Model-Maß, mit ihren 1,58 plus Absätzen kommt sie maximal auf 165 Zentimeter. Er dagegen hat das Gardemaß von 1,88.

Toller Mann – denkt sie noch nicht, aber er macht Eindruck, nicht nur durch seine selbstsichere, charmante und nette Art oder seine Hilfsbereit­schaft. Er hat das gute Benehmen, das man selten findet, sowie Kultur und Witz. Sie ist beeindruckt, findet ihn einfach prima.

Genau acht Tage waren vergangen bis zu diesem ersten Treffen. Sie sahen sich und fanden sich nicht unsympathisch, und irgendwie war der berühmt berüchtigte Funke beim ersten Treffen schon vorhanden, darüber war man sich noch nicht im Klaren, obwohl der Start es in sich hatte. Sie war der Meinung, er hat Stil, Anstand und Klasse, wie man es äußerst selten bei der heutigen Männerrasse findet. Etwa zwei Prozent haben diese Eigenschaften, ebenso häufig werden die Banner auf den Internetseiten angeklickt. Irgendwie scheinen die Klickraten mit dem Stil und dem Anstand der Männer konform zu gehen, auch sie werden weniger.

Bei ihm war es mehr als Sympathie. Nach diesem ersten Rendez-Vous ließ er nichts unversucht, sie näher kennen zu lernen, ließ sie spüren, dass er alles unternehmen würde, alles männermögliche, damit aus ihnen ein Paar würde. Dies wiederum sollte auf Dauer angelegt sein, nicht für heute und morgen, sondern für immer, das brachte er ganz deutlich in seinen ersten E-Mails zum Ausdruck. Und mit seiner Hartnäckigkeit hatte er Erfolg. Keine Frage, sein Charme hatte gezielt, der Pfeil war stecken geblieben, denn er konnte mit Worten umgehen wie kein anderer. So etwas hatte sie noch nicht erlebt. Beim Formulieren und Schreiben machte er keine Fehler, was sie zusätzlich beeindruckte. Ein Funke war übergesprungen, hatte alles entzündet, nun brannte sie, die kleine Fackel, jedoch niemand in der Nähe, der das Feuer zu löschen imstande war – und so loderte es immer weiter. Wie ein Wirbelsturm brach der Zauber der Romantik über beide herein. Sie hatte keine Kraft, sich dagegen zu wehren, und er lief wie auf watteweichen Wolken durch diese neue Welt, machte Liebeserklärungen, die er noch nie gemacht hatte und sie noch nie gehört. Er sprach auf ihr Handy die schönsten Liebesplaudereien, ständig war die Mailbox randvoll. Seine täglichen unzähligen SMS versüßten ihren Alltag und machten sie süchtig nach mehr.

Endlich - er hatte gewonnen. Er wollte nur noch sie, und sie wollte keinen anderen mehr. Beide waren sich einig, das musste die „große, die wahre Liebe" sein. Nach einiger Zeit sprach er von Heirat und nannte es „unser Projekt". Er war sicher, sie zu wollen, sie oder keine. Wo, das war die Frage, sollte dieser grandiose Bund geschlossen werden, wo sollte man dieses einmalige Ereignis geschehen lassen?? Überwältigend sollte es werden, unvergesslich und einmalig, aufregend, denn „gut war auch ihr nicht gut genug". Zunächst war Spanien angedacht, dann New York, auch der Eiffelturm war im Gespräch oder irgendeine verrückte Aktivität. Nachdem das Projekt Spanien – ihrem Temperament absolut entsprechend und mit Abstand die beste Idee – aus Zeitgründen doch nicht infrage kam, entschied man sich, blieb realistisch und nannte das Ganze dann „Projekt Berlin". Denn Berlin war ihre absolute Lieblingsstadt in Germany, ihre „immer währende Liebe".

Der Weg nach Berlin war nicht weit, und Ende Dezember – 22.12.2000, welch ein schönes Datum – sollte der Termin sein. Spanien kam schon deshalb nicht mehr in die engere Wahl, da man seine nicht unerhebliche Steuerrückzahlung für das Jahr 2000 nicht mehr in Anspruch hätte nehmen können, denn das Jahr galoppierte danach in rasendem Tempo auf das Ende zu. Das alles musste bedacht werden. Und er – typisch Steinbock – überlegte so etwas gut.

Zunächst aber wurde das Leben in vollen Zügen genossen, so als wäre es morgen schon vorbei ... Die ganze Welt drehte sich um sie, drehte sich nur um sie beide.

Eine geplante geschäftliche Spanienreise, bei der Herr Professor – wie sie ihn einige Zeit später scherzhaft nannte – einen Vortrag in Englisch halten sollte, wurde abgesagt. Honorar bekam er dennoch, kurzerhand lud er sie nach Hamburg ins Musical Cats ein. Seine kuriose Idee, nach New York zu fliegen, hatte sie ausgeschlagen. Zu teuer, zu weit, man musste ja nicht übertreiben.

Der Sommer war herrlich, konnte schöner tatsächlich nicht mehr sein. Sie aßen Eis ohne Grenzen, oft, wenn sie es schafften, rechtzeitig in Köln zu sein, und das Eiscafé noch geöffnet hatte, das kleine romantische, mitten in der Altstadt. Denn er holte sie mit seinem Dienstwagen jeden Freitagabend ab, ließ sie – typisch Macho – aber nicht ans Steuer. Sie rasten jedes Wochenende auf der dritten, schnellsten Spur über die Autobahn. Wundervoller konnte auch Fliegen nicht sein.

Selbst wenn sie nicht bei ihm war, konnte er sie spüren, riechen, hören, fühlen. Seine Wohnung war voll mit ihren Details, weil er es so wollte. Schon am ersten Wochenende machte er Pläne fürs Zusammenleben und hatte vorgeschlagen, dass sie einfach einiges da ließ an Kosmetik, Klamotten und persönlichen Dingen. Und so war sie überall präsent, nicht nur als Hintergrundbild auf seinem Computer zu Hause und im Büro, hübsche Fotos standen in großen Bilderrahmen im Wohnzimmer und Schlafzimmer, auch Kissen, Teddys, Blumen und Herzen spielten eine Rolle in diesem Stück. Er konnte sie fühlen und riechen, obwohl sie nicht anwesend war, denn ein in ihr Lieblingsparfüm getauchtes Seidentuch hing zum Kuscheln und liebevollen Einschlafen über seinem Bett – unter seinem Kopfkissen bewahrte er ein noch anspruchsvolleres Detail.

In Erwartung des gemeinsamen Lebens hatte sie ihm einige Dinge herangeschleppt und in die Wohnung gestellt – geschenkt sozusagen – einen wunderschönen schwarzen Leder-Bürostuhl, damit er nicht auf dem Gefängniswärterhocker, wie vor den Momenten mit ihr, nachts die Mails beantworten musste. Im Badezimmer lagen flauschige Vorlagen, und ein neuer Vorhang wurde auch angebracht, selbst geeignete Gardinen zauberte sie herbei. Im Wohnzimmer saß ein kuscheliger Teddybär seit ihrem zweiten Aufenthalt auf der Couch – er hatte ihm den französischen Namen Jean gegeben – und die seidenen Kissen, aus ihrem Schlafzimmer verschwunden, daneben platziert, passten auch ganz hervorragend.

Morgens, wenn er aufstand, fiel er schon über allerhand hübsche Tatsachen – er musste an sie denken, ob er wollte oder nicht. Ringsumher waren Erinnerungsstücke von ihr – sie war da – überall.

Auch er war überall anwesend – überall in ihrem Leben. Jeden Morgen seine Liebesergüsse auf Mailbox, danach er persönlich an der Strippe – und tagsüber unzählige SMS. Manchmal ging er ihr damit auch liebevoll – ganz schön auf die Nerven.

Sie zeigte ihm gern ihr „verträumtes Frankfurt", beide bummelten über die Dippemess, warfen vom obersten Stockwerk der Zeilgalerie einen Blick auf die Skyline dieser prächtigen Stadt, auch Gelnhausen und Bad Orb standen auf ihrem ganz persönlichen Programm. Sie fuhren ein paar Tage nach Hamburg und verlebten ein romantisches Osterwochenende miteinander, waren Pfingsten in Basel, sahen den Rhein in Flammen stehen, besuchten Museen, um sich später auf einem Trip von Davos kommend in der rauen Wirklichkeit wieder zu finden ...

In diesem Moment war nicht mehr viel von dieser überschäumenden Liebe zu spüren, die vor drei Monaten begonnen hatte. Exakt waren bis zu diesem Datum mittlerweile drei Monate und zwei Wochen dahingegangen – als sie von einer Kurzreise aus der Schweiz zurückkamen, direkt in seine Wohnung fuhren, einen einigermaßen schönen Samstagabend verlebten. Sonntagmorgen gab es dann ein seltsam schrecklich unromantisches Erwachen.

Eine gespannte Atmosphäre lag in der Luft, sie spürte es deutlich. Seit gestern Abend schon benahm er sich sehr eigenartig, eisig, kalt. Als sie im Auto während der Heimreise von ihrem gemeinsamen „Projekt Berlin" sprach, fühlte sie eine Kälte, eine Ablehnung von ihm, die ihr unerklärlich war. Sie sprach von ihrem und seinem Wunschdatum, ihrem Traumtag, und er meinte lapidar „dann musst du erst mal geschieden sein". Das war eine recht kluge Feststellung von ihm, denn das eine funktionierte ohne das andere nicht. Das war ihr wohl bewusst, immerhin verstand sie seine ablehnende Haltung nicht, konnte sie nicht einordnen. Dennoch, schon am nächsten Morgen sollte sie durch ihr Drängen ziemlich unschön den Grund erfahren. Er schraubte seinen Charme auf ein Minimum zurück, kaum noch spürbar war er im Handumdrehen ein anderer. Es war nicht zu übermerken, sie empfand deutlich, da lag was in der Luft – und zwar etwas sehr Dramatisches. Und das war es dann.

 

Nach drei Monaten fand man – eben er, dass es an der Zeit sei zu überlegen, ob sie für ihn die absolut Richtige überhaupt wäre – ob es nicht doch noch eine Perfektere für ihn geben könnte, das Internet war schließlich voll mit jungen Ladys. Drei Monate mit ihr waren schon o.k, aber ein ganzes Leben lang, das restliche Leben – das musste man noch einmal überdenken, gründlich abwägen. Und so kam er an diesem Sonntagvormittag auf eine grandiose Idee und eröffnete ihr – statt den schon versprochenen Heiratsantrag zu machen oder über die Zukunft zu sprechen –, dass er mit einer solchen „femme fatal", einer „Chaotin" – er nahm zwar diese Worte nicht in den Mund, doch wusste sie, dass er es so meinte – mit einer, die so manche Story noch einmal wiederholt, Informationen einfach vergisst und noch so eine zauberhafte Kleinigkeit, mit eben so einer Lady könne er nicht weiter zusammen sein. Diese drei Punkte wären so gravierend, dass ab sofort Schluss sein müsse, augenblicklich war sie eine „persona ingrata" (lat. unerwünschte Person) für ihn, und das ließ er sie spüren!

Äußerst unschön eröffnete er ihr, er habe wirklich und wahrhaftig mit sich gerungen und sei zu dem Ergebnis gekommen, er als cooler – perfekter Top-Manager einer internationalen Firma könne mit diesem Programmfehler in ihrem Charakter einfach nicht umgehen. Ihre sei nicht seine Welt, so sehr er das auch geglaubt habe. Für sie brach die bis dahin so traumhaft verrückte Lovestory zusammen. In ihrem Privatkino war der Film gerissen. Sie fiel vom Himmel direkt auf die Straße, schwer verletzt blieb sie dort erst einmal benommen liegen, fassungslos über die Art seiner Sensibilität.

Aber dann wurde sie hellwach!

Hatte er geglaubt, sie fände alles an ihm bemerkenswert, super und außergewöhnlich? Nein, Fehler wollte sie jetzt nicht aufzählen. Das wäre zu einfach, zu banal, zu gewöhnlich. Das konnten andere tun. Sie benahm sich – wenn möglich – wie eine Lady. Dazu war alles viel zu schön gewesen. Ihre Beobachtungen waren mehr auf seine positiven Eigenschaften gerichtet, seine Fehler, soweit überhaupt entdeckbar, nicht erwähnenswert. Dennoch machte er auf Anhieb nicht den Eindruck eines perfekten Lovers. Sein Ego stand manchmal im Widerspruch der ständig  formulierten Liebe zu ihr doch sehr im Vordergrund. Seine eigennützige Art, stundenlang die Zeitung zu lesen, obwohl sie anwesend war, die gleiche Zeit beanspruchte er für seine Lieblingstitel auf der neuen Peter-Maffey-CD oder er störte ihre Gedankenwelt durch klimpernde, dramatisch melancholische Gitarrenmusik – nebenan. Dann schmierte er sich so dick die Wurst aufs Brot, dass einem vom Zusehen schlecht wurde. Auf der Autobahn fuhr er seinen PKW wie ein alberner 19-jähriger Angeber und hatte immer Recht. Wenn er mal nicht im Recht war, machte er seine Aussagen passend. Mit diesen Fehlern konnte sie leben, denn sie war tolerant und liebte ihn sehr.

Nach seiner Eröffnungs-Abschiedsrede packte sie kurzerhand ihre Sachen, und er brachte sie nach Hause. Da saß sie dann und wusste nicht, wie ihr geschah, wie im richtigen Märchen.

Er fuhr von dannen, war sich wenige Stunden später indessen doch nicht sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Meinte „wohl doch nicht", denn aus seinen Gedanken konnte er sie nicht so „mir-nichts-dir-nichts" wegzaubern. Noch nicht, aber sich gleich wieder für sie zu entscheiden, das kam ihm auch nicht in den Sinn. Und so schickte er am gleichen Abend wieder eine SMS, nachdem sie kurz auf sein Band gesprochen hatte als er weg war – und ihm von seinem Computer bei ihm zu Hause, der immer eingeschaltet war, noch eine Mail über gmx geschrieben hatte mit folgendem Inhalt:

von joana.x@gmx.at

an frédérik@web.de

„hi, kleiner Frédérik,

irgendwie ein bisschen unwirklich, aber dennoch wahr.

mir kommen alle mails, die du geschrieben hast, irreal vor. fand alles überhaupt statt? oder war es ein traum. er ist vorbei...

das ist die unglaublichste geschichte, die ich je erlebt habe.

danke für die schönen stunden.

joana! *

 

*sie schrieb „joana", denn unter diesem Namen hatten sie sich kennen gelernt – und sie wollte die Story auch mit diesem Namen beenden.

Zusätzlich schrieb sie noch schnell eine Mail an Arno, mit dem sie schon seit Monaten korrespondierte, ihn aber sehr vernachlässigt hatte, damit sie ihren Abend zu Hause nicht so „mutterseelenallein" verbringen müsste – auf seinen Anruf hoffend. Sie schrieb ihm, dass sie abends zu Haus sei, sie könnten telefonieren. Und er rief prompt an.

Anschließend sprach sie noch etwas auf Frédériks Band, doch ihre Worte kamen total zerfetzt an ...

Wenig später schickte er die nächste SMS

*25.06.00 - 18:25

Hallo, deine Nachricht war verstümmelt; habe auf deine Mail geantwortet. Du wirst es sicher irgendwann lesen; melde mich demnächst...

das „demnächst" war dann einige Stunden später

* 25.06.00 - 21:00

Tut mir leid, dass ich dir so weh tun musste. ich mache es mir nicht leicht. aber ich brauche Zeit zum überlegen. F

... und nun schreibe ich die Story weiter, denn es ist meine Story.

eine „moderne romance" – die man nicht erfinden muss!

auf  seine SMS  antworte ich  erst  mal nicht.  Per  E-Mail schreibt er, dass er ungefähr 14 Tage zum Überlegen braucht, und mir dann die Entscheidung mitteilt. Das ist der Gipfel, da mache ich natürlich nicht mit.

Am nächsten Tag erhalte ich von ihm Infos über meinen defekten Computer.

* 26.06.00 - 19:00

Hi, Lara, Notbook-Tastatur hat noch ca. 10 Tage Lieferzeit. Preis m. Einbau ca. 150,-- Gruß Frédérik

 

gott-sei-dank, es ist nicht teuer. Wenigstens eine gute Nachricht

* 26.06.00 - 19:18

...Du solltest wissen, dass ich ständig über uns nachdenke, es ist verdammt schwer! Es tut mir leid, was ich dir antue (immer noch dein F)

26.06.00 - 22.30

nachdem der Anrufbeantworter angesprungen ist... sagt er

 

„hallo, grüß dich, ich bin‘s.

Ich wollte eigentlich nur eine Frage los werden: Hat es eigentlich Sinn, wirklich noch irgend einen Sinn, dass ich über uns nachdenke – oder hast du dich nicht schon endgültig entschieden, das gar nicht aushalten zu wollen, was da eventuell kommt. Selbst wenn ich mich in den gesetzten 14 Tagen, die ich mir gebe, wenn ich dann zu der Auffassung kommen sollte, dass ich etwas vorschnell getan habe, dann stellt sich ja die Frage, ob du ..."

da schalte ich mich ein und sage:

„nicht in 14 Tagen sondern in sechs Wochen".

„Wie?"

„Ja, sechs Wochen"

„Warum?"

„Weil ich längere Zeit brauche, um nachzudenken, ich bin nicht so schnell wie du."

„Akzeptiert."

... dann bla, bla, wegen des Computers und so weiter und zum Schluß sagt er

„gute Nacht – und schlafe gut".

dann ich

„und ich wünsche dir einen schönen Sommer".

Einen Tag Schweigen auf beiden Seiten. Doch bereits am nächsten Tag – mitten in der Nacht ritt mich der Teufel und ich schickte noch eine SMS mit wenigen Worten

 

* 28.06.00 - 01:00

der sommer wird heiß...

daraufhin bekam ich gleich Feedback. Nachdem er aufgestanden war, schrieb er die Antwort

* 28.06.00 - 06:04

WIE MEINST DU DAS?

... ja wie wohl?

Diesen heißen Sommer hatte ich ihm prophezeit. Dabei muss man wissen, dass ich eine Königshexe bin, deren Wünsche wahr werden.

Ich hatte Frédérik einen heißen Sommer gewünscht und einen Monat später traf er ein. Das Wetter wurde wunderbar sonnig, eine unerträglich glühende Hitze machte das Leben kompliziert und ... viele „heiße Frauen" warteten auf ihn, es konnte gar nicht schöner sein, doch das wussten wir beide am 28.06.2000 noch nicht.

Und so geht die Love-Story viele tausend Takte weiter.

Nach diesem Crash pirschte er sich sanft, aber entschlossen wieder heran. Die von mir genannten sechs Wochen Wunschpause ignorierte er ganz einfach.

Ich sitze gerade bei Firma FSS. Furzel, Schredder & Schlampert (wie Frédérik sie nannte) im Büro, da kommt eine SMS von ihm

* 28.06.00 -18:24

Hi, Lara, was ist nun mit dem heißen Sommer? Frédérik

ha, das lässt ihn nicht mehr los, scheint ihn zu quälen

 

* 28.06.00 - 18:28

hi, frédérik, habe eben eine mail geschickt an web.de

hatte vom Büro aus probiert, ihm eine E-Mail zu senden, was äußerst selten bei mir ist, denn solche privaten Aktivitäten gestatte ich mir selber nicht gern

 

* 28.06.00 - 18.31

Danke. Noch im Büro? F

 

* 28.06.00 - 18:34

lies die mail, steht alles drin

 

* 28.06.00 - 18:36

Kann nicht, sitze noch in Meeting. F

 

* 28.06.00 - 18:40

ich bin mit herrn schredder allein*

 

* 28.06.00 - 18:47

Du Arme, oder haben Sie dir ein Angebot gemacht, damit du bleibst? F

er wusste genau, dass das Quatsch war, denn sie konnten mich nicht zum Bleiben überreden

 

* 28.06.00 - 18:51

sie arbeiten dran...

 

* 28.06.00 - 18:53

Soll man Daumen drücken, oder besser nicht? F

 

* 28.06.00 - 19:02

man soll witze auch witze sein lassen *

 

* 28.06.00 - 19:13

...und Fakten, Fakten. F

 

au Mann, denke ich. Was soll das?

Danach ist erst mal wieder Sendepause ... ich schreibe nicht mehr, ist mir einfach zu blöd dieser Quatsch, und gehe – ein bisschen traurig – nach Hause.

Am nächsten Tag gehe ich spontan mit meiner damaligen Lieblingskollegin zum Weintrinken ins Grimm's – total schickes Lokal im Frankfurter Westend (muss ich mal wieder hin).

Ich erzähle Anka die brutale Story und sie mir ihre. Später hat sie, wie sie meint, eine in ihrem angetrunkenen Zustand fabelhafte Idee und spricht in „englischem Dialekt" irgendeinen Quatsch auf seinen Anrufbeantworter. Wenn man bei einer Bank arbeitet, bei der Englisch die Haussprache ist, dann kann man/frau eben nicht anders.

Doch er ist an diesem Abend schon auf Geschäfts­reise, ist unterwegs und hört erst am nächsten Tag die Überraschung.

Unterdessen texte ich voller Sarkasmus – weil mir das Spaß macht, voller Wut – und überhaupt gefällt mir dieser Satz:

„Die Welt ist voller Männer, suchen wir uns einen aus?"  oder  „Die Welt ist voller Männer, wünschen wir uns den besten herbei."

ENDE

Zum Weiterlesen könnt ihr in einer neuen Ausgabe das Buch bald bestellen...

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